Archaeozoologenverband

It's all about bones!

Was ist Archäozoologie

(Fortsetzung)

Experten und Fachbereiche

Die wahrscheinlich größte Quelle der Vielfalt ist der multidisziplinäre Hintergrund der Archäozoologen selbst: Archäozoologen können der Zoologie, Archäologie, Agrarwissenschaft, Biologie, Veterinärmedizin, Paläontologie, Geographie oder Geologie entstammen. Jedes Feld bringt der Studie der Tierhinterlassenschaften verschiedene Perspektiven, Fragestellungen, Methoden und Untersuchungsziele. Abhängig von der jeweiligen Ausbildung des Archäozoologen werden sämtliche Vertebraten, Invertebraten oder nur einzelne Klassen untersucht. Materialien können Haar, Horn, Federn, Fell, Schuppen, Koproliten, Blut, DNA, Isotopen, Spurenelemente, Insekten, Milben, Eierschalen, Molusken oder Knochen sein. Weiterhin werden schriftliche, bildliche oder figürliche Quellen verwendet.


Interaktion Mensch-Tier-Umwelt
Bereits vor ihrem Tod dienten Tiere vielfältigen Zwecken: Domestizierte Tiere wurden beispielsweise intensiv als Arbeitstiere genutzt. Sie wurden als Wächter eingesetzt, als Zugtier, Lastenträger, Jagdgehilfen, Hütetier, Trüffelsammler und zum Fischen. Diese Tiere waren derart wertvoll, dass sie erst dann geschlachtet wurden, wenn sie sehr alt waren und ihrer Arbeit nicht mehr nachkommen konnten. Tierhinterlassenschaften können auch symbolische Assoziationen besitzen, die weder der Nahrungswirtschaft noch, der Rohstoffverwertung entsprechen. Viele Tiere wurden aus emotionalen Gründen gehalten und nach ihrem Tod liebevoll bestattet. Ihre Überreste sind allerdings oft nicht dort zu finden, wo gewöhnlich Ausgrabungen stattfinden bzw. gelangtem nicht unter den üblichen Abfall, der bei Ausgrabungen geborgen wird. Diese Tiere, Teile der Tiere oder Bilder dieser Tiere mögen aufbewahrt worden sein, um ein Individuum, einen Haushalt oder eine Gemeinschaft mit ihm und seiner speziellen Kraft zu assoziieren.


Wie aus dem eben Genannten ersichtlich, hat sich die gegenwärtige archäozoologische Forschung weit davon entfernt, ausschließlich die Ernährung der damaligen Menschen zu rekonstruieren. Viele der heutigen methodischen und theoretischen Debatten kann man am besten vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung verstehen. Einige Methoden, die ursprünglich in einem Zusammenhang von Fragen entwickelt wurden, die heute nicht mehr populär sind, finden neue Anwendungen. Einige Fragen erfordern die Entwicklung neuer Techniken. In anderen Fällen können sowohl die alten Fragen als auch die alten Methoden weiter verwendet werden.
Um die Natur menschlicher Existenz in einer Umwelt und die Nutzung von biologischen Ressourcen zu verstehen ist eine grundlegende Kenntnis der Ökosysteme und der Geschichte von Pflanzen und Tieren selbst notwendig. Potenzierte anthropogene Interaktion hat Ökosysteme durch die Geschichte hindurch ständig modifiziert. Menschen haben wahrscheinlich niemals in perfekter Harmonie mit der Natur gelebt. Sie haben immer eine Spezies auf Kosten von anderen bevorzugt, Pflanzen und Tiere sind durch den menschlichen Einfluss ausgestorben oder in eine Gegend neu eingebracht worden. Die Kenntnis über die Biologie von Organismen und die Ökologie von Systemen müssen genutzt werden, um den Folgen dieser Prozesse auf die Arten zu interpretieren. Hierfür sind biologische und ökologische Studien fundamental, ohne die archäologische Proben nicht interpretiert werden können. Je dichter menschliche Populationen sind, desto stärker sind die Veränderungen, die bei anderen Spezies und in Landschaften hervorgerufen werden können. Obwohl die Umwelt und die Vergangenheit bis zu einem gewissen Grad rekonstruiert werden kann, handelt es sich um keine exakte Wissenschaft. Kleinräumige Variationen können eine große Auswirkung haben. Um diese Einflüsse zu verstehen ist es unbedingt nötig, dass es zwischen Archäozoologe und Archäologe bereits während der Ausgrabung einen intensiven Informationsfluss und Austausch gibt.


Austausch mit anderen Naturwissenschaften
Ökologische Untersuchungen benötigen Langzeituntersuchungen und zeitaufwändige Datensammlungen auf regionaler oder überregionaler Basis. Um die Nutzung der Ressourcen durch menschliche Bevölkerungen zu verstehen oder die verschiedenen Anpassungen an unterschiedliche Umweltgegebenheiten, ist es jedoch nötig, Daten einer Vielzahl von unterschiedlichen Quellen in die Untersuchungen einzubeziehen. Diese Quellen schließen neben Vertebraten und Invertebraten auch botanische und menschliche Überreste ein. Daneben sind Informationen über physikalische und chemische Eigenschaften der biologischen Materialien wichtig und die über den Boden, in dem sie gelagert waren.


Bestimmung / Datenerhebung
Die archäozoologische Bestimmungsarbeit erfolgt im direkten Vergleich mit archäologischen Knochen und mit modernen Skeletten bekannten Alters und Geschlechts. Eine gute Vergleichssammlung ist absolut notwendig. Die Bestimmung und folgende Analyse ist - neben der Erfahrung des Archäozoologen - nur so gut, wie die Vergleichssammlung. Zeichnungen und Fotos können bei der Bestimmung zwar unterstützen, sind jedoch bei der Bearbeitung von großen Skelettserien, sowie bei der Bestimmung von Fragmenten unbrauchbar.
Eine gute Vergleichssammlung besteht nicht nur aus einem Exemplar je Tier. Sie enthält mehrere Individuen verschiedenen Alters, Geschlechts und verschiedener Saison. Sie sollte außerdem nicht nur solche Arten enthalten, die normalerweise in dieser Gegend vorkommen. Wenn Arten in der Vergleichssammlung nicht vorhanden sind, was nicht selten passiert, da es keine Vergleichssammlung auf der Welt gibt, die alle existierenden und ausgestorbenen Arten beinhaltet, muss eine andere Vergleichssammlung aufgesucht werden, die diese Arten möglicherweise enthält. Vergleichssammlungen sind wertvoll, da ihr Aufbau, das Sammeln, Identifizieren und Präparieren zeitaufwändig und teuer ist und viele Tierarten nur schwer zu beschaffen sind. Jede Zeit und jede Region erfordert neben einer speziellen Vergleichssammlung viel Erfahrung beim Bestimmen. Im Zweifel muss auch der Experte einen anderen Experten für das jeweilige Gebiet kontaktieren, denn die Erzeugung falscher Daten und Interpretationen ist gravierend.


Labor-Untersuchungsmethoden
Radiokarbonmethode

Die Radiokarbon- oder 14C-Methode, die in der Regel in physikalischen Laboren angewandt wird, lässt Aussagen zum absoluten Alter eines Lebewesens zu und wird damit zur Datierung von archäologischen Befunden verwendet.


DNA (DNS)
Die DNA-Methode oder der genetische Fingerabdruck eines Individuums findet in der Archäozoologie hauptsächliche Verwendung für die Erforschung der Entwicklung von domestizierten Tieren und ihrem Verhältnis mit ihren wilden Vorfahren.


Isotope
Isotope sind Atome eines Elements mit unterschiedlichem Gewicht. Isotopenuntersuchungen leichter Elemente, vor allem Kohlenstoff, Sauerstoff, Schwefel, Strontium und Wasserstoff, in Knochen und Zähnen können beispielsweise für die Erforschung von Wanderbewegungen oder Ernährungsrekonstruktionen herangezogen werden.


Zahn- und Knochendünnschliffe
Dünnschliffe können der Artbestimmung dienen. Knochenschliffe oder Zahnzementuntersuchungen lassen Aussagen zum biologischen Alter des Individuums oder zur Sterbesaison zu.
Auswertung und Interpretation der Daten
Ohne Frage ist mit der Primärdatenerhebung allein die Arbeit eines Archäozoologen nicht getan. Diese Primärdaten benötigen eine Interpretation. Dieser Schritt erfordert viel Erfahrung und ist originäre Aufgabe des ausgebildeten Archäozoologen.
siehe auch allgemeine Empfehlungen für Archäologen (Recommendations concerning the environmental archaeology component of archaeological evaluations)

Themen zur Archäozoologie finden sie auch in youtube 

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